Hofheimer Personen |
Johann Seelig
Hofheimer Stadtschultheiß, Abgeordneter der Deputiertenversammlung Nassaus
* 5. März 1787 in Hattersheim
+ 16. Mai 1861 in Hofheim am Taunus
Johann Seelig wurde als Sohn des Müllermeisters Johannes Thomas Seelig und seiner Frau Maria Margaretha geb. Kienzler auf der Engelsmühle in Hattersheim geboren und kam durch die Heirat mit der Müllerstochter Katharina Josepha Dröser 1805 nach Hofheim. Sein Schwiegervater Jakob Christoph Dröser bewirtschaftete die Hofheimer Untermühle und die Gastwirtschaft „Zum Löwen“. Aus dieser Ehe gingen 7 Kinder hervor, als zweites Kind 1808 Heinrich Josef Seelig, als drittes 1810 Jakob Christoph Seelig und als fünftes 1814 Franz Seelig. Da seine Frau schon 1819 starb, heiratete Johann Seelig 1821 zum zweiten Mal die 21-jährige Maria Ursula Mertz aus Zeilsheim. Mit ihr hatte er noch 10 weitere Kinder.
Johann Seelig arbeitete als Landwirt und Müller in Hofheim. 1817 wurde er im Alter von 30 Jahren von der Landesregierung des Herzogtums Nassau zum Hofheimer Stadtschultheiß ernannt. Ende 1819 musste er eine für Hofheim folgenreiche Entscheidung treffen. Da das Gelände und die Gebäude der Kellerei Hofheim als Verwaltungssitz nicht mehr benötigt wurden, ließ die Landesregierung diesen Immobilienbesitz öffentlich versteigern. Dabei bot Seelig für die Stadt bis 9.000 Gulden mit, wurde aber von dem Hofheimer Kaufmann Philipp Joseph Weiler um 50 Gulden überboten. Dadurch ging die Kellerei Hofheim einschließlich des Kellereigebäudes in Privatbesitz über. Vier bis fünf Jahre später musste die Stadt aus Raummangel im Kellereigebäude zwei Schulräume vom neuen Besitzer Weiler anmieten. Wäre die Landesregierung der Stadt 1819 beim Kaufpreis entgegen gekommen, wäre dies vermieden worden und für die Schulhausrevolte von 1831 hätte es keinen Anlass gegeben.
Bei wachsender Bevölkerung blieb der fehlende Schulraum für die Stadt trotz der Anmietung der Räume im Kellereigebäude ein Problem. Weiler bot der Stadt das Kellereigebäude mit einem Umbau zur Schule zum Kauf an, aber die Landesregierung lehnte dies ab und bestand auf einem Neubau auf dem Gelände Burgstraße 9. Eine Petition aller Hofheimer Bürger an die Deputiertenversammlung des Herzogtums Nassau vom März 1831, mit der ein Neubau abgelehnt wurde, konnte dort nicht beraten werden, weil der Herzog diese Versammlung kurz vorher auf unbestimmte Zeit vertagt hatte. Im Zorn über diese Entwicklung rotteten sich am 3. Mai 1831 Hofheimer Bürger zusammen und rissen abends den schon begonnenen Neubau der Schule wieder ein. Dieser massive Protest schien sich zu einer Revolte gegen die Landesregierung auszuweiten, weshalb die Landesregierung drei Kompanien Militär nach Hofheim schickte, um die Revolte im Keim zu ersticken. Die Rädelsführer und Beteiligten der Revolte wurden verhaftet und zu hohen Korrektionshaft- oder Gefängnisstrafen verurteilt.
Auch Stadtschultheiß Seelig wurde als Staatsbeamter angeklagt, seine Amtspflichten verletzt zu haben, weil er nichts gegen die Revolte unternommen habe. Er wurde seines Amtes enthoben und zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Durch die Revolte war er in eine schwierige Lage gekommen. Einerseits hatte er den Widerstand des Stadtvorstandes gegen den Schulhausneubau unterstützt und kannte die Stimmung in der Bevölkerung gegen das Vorhaben. Andererseits war er von der Landesregierung als Stadtschultheiß eingesetzt und verpflichtet, ihre Beschlüsse umzusetzen und für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen, was er nach Meinung seiner Vorgesetzten nicht hinreichend getan hatte. Außerdem war er in der Sache befangen, weil zwei seiner Söhne, nämlich der 22-jährige Heinrich Joseph und der 17-jährige Franz Seelig, sich aktiv an der Revolte beteiligt hatten und deshalb auch bestraft wurden, Heinrich Joseph Seelig zu 14 Tagen Gefängnis und Franz Seelig zu zweieinhalb Jahren Korrektionshaus.
Seine Entlassung aus dem Staatsdienst und seine Bestrafung haben Johann Seelig nicht daran gehindert, sich im Rahmen der damaligen Möglichkeiten politisch zu engagieren. Das Herzogtum Nassau hatte sich 1814 eine damals fortschrittliche ständische Verfassung gegeben, nach der es eine „Herrenbank“ mit Vertretern des Adels und eine landständische Deputiertenversammlung aus 22 gewählten Vertretern der Stände gab, nämlich 4 Geistlichen, 3 Gewerbetreibenden und 15 Grundbesitzern. Anfang 1832 wurde Philipp Joseph Weiler, der Eigentümer der Kellerei, der erste gewählte Abgeordnete in der Deputiertenversammlung aus Hofheim. Ihm folgte von 1833 bis 1835 Johann Seelig, wie Weiler gewählt aus der Gruppe der Grundbesitzer im Wahlkreis Wiesbaden.
Er kam 1835 erneut in Konflikt mit dem reaktionären Regime des Herzogtums Nassau: Wegen Teilnahme an einer „politischen Verbindung zur Verbreitung aufrührerischer Schriften“ wurde er zusammen mit fünf weiteren Hofheimern, fünf Bürgern aus Höchst und seinem Neffen Franz Hugo Wehrfritz aus Kriftel angeklagt. Wehrfritz war der Sohn seiner Schwester Maria Margaretha, die mit dem Papierfabrikanten Hugo Franz Wehrfritz in Kriftel verheiratet war. Ob sie alle als gemeinsam agierende Gruppe angeklagt wurden und welche Schriften sie tatsächlich verbreitet haben, ist unklar, da es zu diesem Strafverfahren der nassauischen Landesregierung keine Akten mehr gibt. Bemerkenswert ist, dass Johann Seelig zur Zeit der Anklage und seiner Verurteilung Deputierter der Landesdeputierten-Versammlung Nassaus war. Die gewählten Abgeordneten genossen also damals keinen Immunitätsschutz. In der Deputiertenversammlung am 7. Dezember 1835 wurde lediglich mitgeteilt, dass er zu dieser Versammlung nicht einberufen sei, weil er zu einer neunmonatlichen Korrektionshausstrafe verurteilt worden sei. Als Grund seiner Verurteilung wurde mitgeteilt, dass er „mit mehreren Einwohnern von Hofheim und Höchst an einer politischen Verbindung Theil genommen habe, deren Zweck die Verbreitung aufrührerischer Schriften gewesen sei“. Am 9. Dezember 1835 wurde der Deputiertenversammlung mitgeteilt, dass Johann Seelig wegen der „ihn betroffenen Unfälle“ und wegen seiner zerrütteten Gesundheit sein Abgeordnetenmandat niedergelegt habe.
Die weiteren Mitglieder der „politischen Verbindung“, die 1835 zu Korrektionshaus verurteilt wurden, waren mit jeweils neun Monaten Haftstrafe aus Hofheim Johann Manzino, Philipp Cremens und Joseph Seelig, vermutlich der älteste Sohn von Johann Seelig. Zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt wurde Martin Weiler, der jüngere Bruder von Philipp Joseph Weiler. Mit neun Monaten Haft im Korrektionshaus wurde auch Franz Hugo Wehrfritz aus Kriftel bestraft. Er wurde später - von 1848 bis 1851 - für den Wahlkreis Königstein/Höchst Mitglied der ersten Nassauer Ständeversammlung nach der Revolution 1848/49. Er war auch der Schwager des mitangeklagten Hofheimer Metzgers und Gastwirts Philipp Cremens, der mit seiner Schwester Katharina Josepha Wehrfritz verheiratet war. In dessen Wirtschaft auf der Hauptstraße sollen sich am 3. Mai 1831 die „Tumulanten“ der Schulhausrevolte getroffen haben, bevor sie den Neubau der Schule zerstörten. Von den Hofheimer Verurteilten von 1835 waren außer Philipp Joseph und Martin Weiler auch Johann Seelig, sein Sohn Joseph Seelig sowie Johann Manzino und Philipp Cremens schon an der Schulhausrevolte von 1831 beteiligt.
Nach dem Wiener Kongreß 1814/15 führte die Restauration der alten Herrschaftsverhältnisse in Deutschland dazu, dass aufkommende nationale und demokratische Bewegungen durch eine reaktionäre Politik, Pressezensur und politische Überwachung unterdrückt wurden. Seit den Karlsbader Beschlüssen des Deutschen Bundes (1817) gab es in den Ländern und beim Bund eine systematische Überwachung aller "revolutionärer Umtriebe". Die "Zentralbehörde für politische Untersuchungen" des Deutschen Bundes führte ein zentrales Register aller in den Ländern verhafteten und verhörten Personen (Schwarzes Buch). In diesem Schwarzen Buch wurden auch 6 Hofheimer als "Staatsfeinde" registriert: Philipp Cremens, Johann Manzino, Joseph Seelig, Martin Weiler, Philipp Joseph Weiler und Johann Seelig, vermutlich wegen der oben angeführten Delikte.
In der Familie Seelig muss es eine republikanische Prägung gegeben haben. Anders lässt sich die Beteiligung so vieler Familienmitglieder am Protest oder Widerstand gegen das damals vorherrschende absolutistische Staatssystem kaum erklären. Beteiligt waren neben Johann Seelig selbst seine Söhne Heinrich Joseph und Franz Seelig, sein Neffe Franz Hugo Wehrfritz und dessen Schwager Philipp Kremens.
Quellen:
Reuschling, Dieter und Schlecker, Roswitha: Bürgerwille gegen Herrscherwillkür: Hofheim am Taunus - eine Kleinstadt zwischen französischer und deutscher Revolution, Hofheim am Taunus, Stadtmuseum, 2007.
Reuschling, Dieter: Geschichte des Amtes und der Kellerei Hofheim - Geschichte des Kellereigebäudes, Hofheim am Taunus, Stadtmuseum/Stadtarchiv, 2011.
„Seelig, Johann“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1192718305> (Stand: 15.4.2021)
„Wehrfritz, Franz Hugo“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1036270920> (Stand: 15.4.2021)
„Weiler, Philipp Joseph“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1192483839> (Stand: 15.4.2021)
Wohmann, Wilfried - Genealogische Daten Hofheimer Familien
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Dieter Reuschling)